Kirchen & Kapellen - St. Vitus und St. Jakobus Südlohn (2024)

Die Kirchengemeinde St. Vitus liegt am westlichen Rand des Münsterlandes, an der Grenze zu den Niederlanden. Diese Grenze entstand im Mittelalter, als eine Ausgleichslinie zwischen den Bistümern Utrecht und Münster, die bestrebt waren, ihre kirchlichen und weltlichen Territorien in Übereinstimmung zu bringen.

Mutterpfarre der Gemeinde ist die Urpfarre Lon mit der Pfarrkirche St. Otgerus in Nordlohn (heute Stadtlohn). Sie ist eine Gründung des Hl. Liudgers, des ersten Bischofs von Münster (804-809). Fraglich bleibt der Ursprung des Patroziniums des Hl. Otgerus, da er ebenso wie die Hl. Walburgis, die Schutzheilige der Nachbargemeinde Ramsdorf, vor allem im Bistum Utrecht verehrt wird. Vielleicht ist dies auf die Ausbildungszeit Liudgers an der Stiftsschule in Utrecht zurückzuführen. Da jedoch die mittelalterlichen Handelsverbindungen und die Stammesverwandtschaft der erst am Ende des 7. Jahrhunderts von den Sachsen bezwungenen, hier ansässigen Chamaven nach Westen weisen, lässt sich auch ein Wirken Utrechter Missionare, zumindest aber ein starker Einfluss des dortigen Bistums im 8. Jahrhundert nicht ausschließen.

Die große Ausdehnung der Pfarre Lon brachte Beschwernisse besonders bei Beerdigungen, Taufen und der Krankenbetreuung mit sich und führte schließlich zur Gründung einer Kapelle im Süden des Kirchspiels. Sie wird 1231 erstmals urkundlich erwähnt, ihre Geschichte muss aber nach der Bauform des 1936 abgerissenen romanischen Kirchturms wenigstens bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Das Patronatsrecht über diese Kapelle stand dem St. Petri Stift in Utrecht zu. Der Grund für diese Beziehung ist nicht mehr zu ermitteln, doch wird dadurch die Bedeutung des Nachbarbistums in der Frühzeit der Gemeinde nochmals unterstrichen.

Im Jahr 1231 erhob Bischof Ludolf von Münster die Kapelle zur Pfarrkirche und wies ihr den südwestlichen Teil der Mutterpfarre mit den Bauerschaften Eschlohn und Nichtern als neuem Kirchspiel zu. Das St. Petri Stift behielt dabei das Recht, die neue Pfarre abwechselnd mit dem Bischof von Münster zu besetzen.

Pfarrpatron wurde der Hl. Vitus, der nach der Heiligenlegende im jugendlichen Alter während der diokletianischen Christenverfolgung im Jahr 303 oder 304 in seiner sizilianischen Heimatstadt Mazara das Martyrium erlitt. Der Leib des Hl. Vitus wurde 836 von St. Denys bei Paris ins Kloster Corvey an der Weser übertragen, von wo sich seine Verehrung weit in den germanischen und slawischen Raum ausbreitete. Für Südlohn muss außerdem der Einfluss des auf den fränkischen Raum orientierten St. Petri Stifts berücksichtigt werden. Danach dürfte die Verehrung in Südlohn wohl von St. Denys ausgegangen und über die bedeutenden Kultstätten des Hl. Vitus in Mönchengladbach und Hochelten vermittelt worden sein. Zu Corvey lassen sich dagegen keine Beziehungen nachweisen.

Neben den beiden Bistümern Münster und Utrecht waren wohl auch die Edelleute von Lon (Loen, Lohn), deren Herrschaft im Grenzgebiet lag, an der Gründung der Pfarrei beteiligt. In der Gründungsurkunde wird Hermann I. von Lon als Zeuge genannt, und 1278 war sein Sohn Hermann II. sogar selbst Inhaber der Patronatsrechte. Spätestens mit dem Aussterben ihres Geschlechts 1316 fiel das Recht der Pfarrstellenbesetzung aber an das Domkapitel zu Münster. Eine in Südlohn weiterbestehende Nebenlinie hatte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nur noch das Begräbnisrecht auf oder an dem Chor der Pfarrkirche, die Mitaufsicht über das Kirchenvermögen und ein Mitbestimmungsrecht bei der Einsetzung der Küster, Kirchenvorsteher und Lehrer.

Um die Kirche bildete sich bald ein Dorf von Kleinhändlern und Handwerkern, das den Namen des Kirchspiels übernahm und die Bevölkerungsstruktur der bis dahin rein bäuerlichen Gemeinde veränderte.

Die Nachbarschaft zu den seit 1568 um ihre Unabhängigkeit von Spanien kämpfenden Niederländern brachte dem ganzen westlichen Münsterland Not und Elend, denn beide Kriegsparteien überschritten häufig die Grenze und erpressten von den Menschen Lebensmittel und Geld. Zu ihrem Schutz befestigten die Südlohner 1597 den Ort mit Wall und Graben und erhielten 1617 zum Unterhalt dieser Anlagen von Fürstbischof Ferdinand I. die Marktrechte verliehen. Seitdem galt Südlohn als Wigbold oder Minderstadt.

Mit dem Übertritt der Mehrheit der Niederländer zum Calvinismus (seit 1563) geriet Südlohn nicht nur politisch, sondern auch konfessionell in eine Grenzlage. Um den unterdrückten Katholiken des Nachbarlandes die Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen, gründete der Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen an der Grenze seines Bistums mehrere Missionsstationen.

Eine davon entstand 1674 zunächst in der Burgkapelle des „Hauses Oeding“, einer kleinen Burgsiedlung in der Bauerschaft Nichtern im Südwesten des Kirchspiels Südlohn. Da die 1765 neuerrichtete Kapelle auch von den Bewohnern diesseits der Grenze rege besucht wurde, blieb sie bestehen, als die Niederländer nach 1795 aufgrund größerer religiöser Freiheiten ihre Messfeiern wieder im Heimatland hielten. Seit 1836 galt die Oedinger Kapelle als Filialkirche von Südlohn. Die Rektoratsgemeinde wurde am 25.3.1907 zur selbständigen Pfarrgemeinde St. Jakobus erhoben.


Aus: Ulrich Söbbing, St.Vitus in Südlohn (=Westfälischer Heimatbund in Verbindung mit dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege/ Landschaftsverband Westfalen-Lippe und dem Heimatverein Südlohn, Westfälische Kunststätten, Heft 55) Münster 1989.

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